Bei der Digitalisierung der Industrieversicherungsbranche geht es um sehr komplexe und individuelle Prozesse. In einem solchen Umfeld empfiehlt sich ein Change-Prozess, der die Voraussetzungen der eigenen Organisation und die Marktteilnehmer berücksichtigt. Viel mehr noch: Die digitale Transformation kann nur gelingen, wenn Mitarbeiter, Kunden und Marktteilnehmer wirklich integriert werden.
Hamburg,, 17.07.2020 – Digitalisierung ermöglicht gleichermaßen Standardisierung und Individualisierung und schafft neue Spielräume für Unternehmensgewinne. Denn durch die Digitalisierung lassen sich neue Produkte und Geschäftsmodelle entwickeln. Die digitale Transformation der Organisation fordert den Beteiligten aber auch vieles ab: Gewohnte Arbeitsstrukturen lösen sich auf. Abläufe, Prozesse und das Verständnis von Führung müssen neu gedacht werden. Gelernte Fähigkeiten, vertrautes Handeln und erprobte Mechanismen werden plötzlich unwichtiger. Innovationszyklen werden kürzer. Die ununterbrochene Veränderung löst bei Mitarbeitern Unsicherheiten aus. Es wird ihnen abverlangt, die eigene Rolle zu ändern, Neues zu lernen und andere Aufgaben zu übernehmen.
Der Versicherungswirtschaft stehen einige der Verwerfungen noch bevor, die mit der Digitalisierung einhergehen. Im Vergleich zur Automobilindustrie beispielsweise ist sie historisch bedingt weniger innovativ. Während dort die interne Digitalisierung seit vielen Jahren fortschreitet, ist sie im Versicherungsbereich auf Kundenseite erst in jüngerer Gegenwart von außen sichtbar. In der Versicherungsbranche spielen Prozessorientierung, Automatisierung und ortsunabhängige Dateneingabe eine große Rolle. Das bringt veränderte Aufgaben für Mitarbeiter, andere Steuerungslogiken im Unternehmen, teils auch strukturelle Auswirkungen auf die gesamte Organisation mit sich. Auf Kundenseite dagegen ist die Customer Experience das Hauptthema: Wie erlebt der Kunde eigentlich seinen Versicherungsdienstleister?
Klar ist deshalb auch, dass die digitale Transformation keinesfalls den Menschen überflüssig macht. Wo es, wie etwa in der Beratung, auf menschlichen Kontakt und Vertrauen ankommt, wird es sogar eine Renaissance des persönlichen Austauschs geben – ob vor Ort im Gespräch oder medial. Für Industrieversicherungsmakler zum Beispiel bietet die Digitalisierung in diesem Zusammenhang die Chance, die Kundenwahrnehmung zu ändern. Denn bisher hat der Kunde meistens in ressourcenaufwändigen oder sogar negativen Zusammenhängen Kontakt zu seinem Makler: wenn eine Rechnung zu bezahlen ist, die jährlichen Renewal-Fragebögen kommen oder im schlimmsten Fall ein Schaden vorliegt. Je mehr die Digitalisierung dem Makler automatisierbare Arbeiten abnimmt, umso mehr kann er sich darum bemühen, für den Kunden positive Erlebnisse mit seiner Dienstleistung zu verknüpfen. Die Digitalisierung schafft Freiräume und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Customer Experience: Was erlebt der Kunde im Kontakt mit dem Makler bzw. der Versicherung? Wie schnell wird seine Anfrage beantwortet? Welche zusätzlichen Leistungen erleichtern ihm die Arbeit? Das erfordert neue und kreative Lösungen. In der ebenfalls tendenziell eher traditionellen Energiebranche hat dieser Kunden-im-Fokus-Prozess bereits vor längerer Zeit begonnen. Treibender Faktor: Produkte wie Strom, Gas oder Wärme sind zunächst überhaupt nicht unterscheidbar. Es ist sogar völlig egal, wer einen beliefert, Strom ist Strom. Anbieter im Energiesektor haben sich sehr früh damit beschäftigt, wie sie ihre Leistung etwa durch ergänzende Services und durch andere Formen von Kundenkontakt sowie Kundenbindung aufwerten können.
Nicht alle Mitarbeiter machen sich freudig auf den Weg für diese Veränderungen. Umso wichtiger ist es, ihnen Ängste im Zusammenhang mit der Digitalisierung zu nehmen. Zentrales Credo: Kommunikation schafft Vertrauen. Das Ziel ist es, ein Bild der Zukunft zu zeichnen, in dem sich alle wiederfinden. Die Botschaft kann lauten: Kein Mitarbeiter muss der digitalen Transformation wegen um seinen Arbeitsplatz bangen. Und in Richtung Kunden: Durch Digitalisierung werden Dinge besser, flexibler, offener – mit mehr Service. Digitalisierung bringt neue Produkte und Dienstleistungen hervor und schafft eher Arbeitsplätze, als dass sie sie zerstört. Nur die Art der Tätigkeiten wird sich ändern, weil Routinearbeiten immer mehr wegfallen. Ein wesentlicher Aspekt bei allem Neuen ist die Fehlerkultur: Es muss vermittelt werden, dass Innovation immer aus Gelungenem und Misslungenem besteht und Fehler gemacht werden dürfen.
Sieht man die digitale Transformation als reines IT-Projekt, vergibt man die wichtigsten Chancen: die Marktposition zu stärken, die Kundenbeziehungen neu zu gestalten, die Mitarbeiter weiterzuentwickeln. Wenn Kunden und Mitarbeiter nicht verstehen, wie sie profitieren können, werden die Projekte zäh, langsam und verlieren an Effekt. Der Return on Investment, den man braucht, um solche Projekte zu stemmen, sinkt ebenfalls. Wer die Digitalisierung nicht erfolgreich bewältigt, wird in der Konkurrenzsituation des Marktes früher oder später untergehen. Gerade im Versicherungsmaklerwesen, wo Menschen, Beratung, Empathie und Verständnis den Erfolg eines Unternehmens maßgeblich mitgestalten, wäre es ein hohes Risiko, wenn Digitalisierung nicht auch handlungs- und kulturbezogen mit einem Change-Prozess begleitet würde.
Die Digitalisierung der Versicherungsbranche ist in vollem Gange. Ging es bisher in erster Linie um interne Veränderungen, rückt nun die Sicht von außen in den Fokus. Neben der Vielzahl an Chancen, etwa die Entwicklung neuer Produkte und Geschäftsmodelle, die Stärkung der Interaktion mit dem Kunden und der Wegfall lästiger Routinearbeiten, gehen mit den Veränderungen auch Ängste einher. Soll die digitale Transformation erfolgreich verlaufen, darf sie daher nicht als rein technischer Vorgang betrachtet werden. Nur über die Begleitung durch einen Change-Prozess sind alle Beteiligten dazu in der Lage, die Herausforderungen anzunehmen und positiv zu gestalten. Dieser Text ist im Rahmen einer
Projektzusammenarbeit von GGW und dem Software-Technologieunternehmen
mgm technology partners entstanden. In der Reihe schreiben verschiedene Beteiligte über ihre Erfahrungen aus der Praxis.
Marco Edel, seit 15 Jahren bei GGW, kommt ursprünglich aus der Prozess-Unternehmensentwicklungslehre. Bei GGW verantwortet er sämtliche verarbeitenden Sparten, das sind die einzelnen Betriebsabteilungen. Als Mitglied der Geschäftsleitung ist er maßgeblich verantwortlich für Kommunikation im Rahmen der Strategie und der Veränderung. Marcus Warnke berät Unternehmen seit über 25 Jahren und begleitet Menschen und Organisationen in Veränderungsprozessen. Dahinter steckt Organisationsentwicklung, also die Entwicklung von Führung, von Organisationsstrukturen und Abläufen – und auch Unternehmenskultur und das "Menschen mitnehmen" zu beachten. Letzteres ist ihm ein hohes Anliegen und prägt sein beraterisches Handeln.
Die Gossler, Gobert & Wolters Gruppe (GGW Gruppe) ist einer der großen unabhängigen und inhabergeführten Industrieversicherungsmakler in Deutschland. Als Experte für integriertes Risiko- und Versicherungsmanagement betreuen die rund 290 Mitarbeiter der GGW Gruppe mittelständische Unternehmen aus Industrie, Handel, Gewerbe sowie den rechts- und wirtschaftsberatenden Berufen. Deutschlandweit ist das Beratungshaus an neun Standorten vertreten und berät in Zusammenarbeit mit internationalen Netzwerken Kunden in über 60 Ländern.
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